Abkommen zwischen der Schweiz und dem MERCOSUR: Eine Bedrohung für den Planeten

Während die Welt mit einer beispiellosen Klimakrise konfrontiert ist, hat die Schweiz gerade ein neues Freihandelsabkommen mit den Ländern des MERCOSUR (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay) unterzeichnet. Dieses Abkommen, das als „diplomatischer und wirtschaftlicher Erfolg” präsentiert wird, gibt jedoch aus ökologischer Sicht Anlass zu grosser Sorge. Der Vertrag könnte die Abholzungen in Südamerika verschärfen, die importierten Treibhausgasemissionen erhöhen, den Bergbau verstärken und die weltweite Artenvielfalt gefährden. u.v.m.

1. Das Risiko einer beschleunigten Abholzung im Amazonasgebiet und darüber hinaus

Der MERCOSUR ist eine der weltweit größten Agrarregionen und exportiert unter anderem Rindfleisch, Soja, Zucker und Geflügel in grossen Mengen. Durch die weitere Öffnung des Schweizer Marktes für diese Produkte schafft das neue Abkommen einen starken wirtschaftlichen Sog. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, vergrössern die südamerikanischen Produzenten ihre Anbau- oder Weideflächen – oft auf Kosten der Wälder.

In Brasilien beispielsweise hat sich die Abholzung in den letzten Jahren beschleunigt, insbesondere im Cerrado und im Amazonasgebiet. Diese beiden Ökosysteme sind für die Regulierung des Weltklimas von entscheidender Bedeutung. Laut Greenpeace und Public Eye1 werden in diesen Regionen oft illegal Rodungen vorgenommen, um Platz für Sojafelder oder Rinderzuchtbetriebe zu schaffen, deren Produkte für den Export nach Europa und in die Schweiz bestimmt sind. Der Zusammenhang ist eindeutig: Mehr Freihandel bedeutet mehr Druck auf die Wälder.

Laut einem Bericht der Europäischen Kommission2 könnte das EU-MERCOSUR-Abkommen (ähnlich dem EFTA-Abkommen) bis 2030 zu einem Anstieg der Rodungen im Amazonasgebiet um 25 % führen, wenn keine verbindlichen Kontrollmechanismen eingeführt werden.

2. Der Import von CO-Emissionen: eine irreführende CO-Bilanz

Offiziell rühmt sich die Schweiz damit, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. In Wirklichkeit werden jedoch fast 70 % des CO₂-Fussabdrucks unseres Konsums im Ausland verursacht, insbesondere durch importierte Produkte3.

Mit dem neuen MERCOSUR-Abkommen wird die Schweiz jedoch den Import von Lebensmitteln mit hohem CO₂-Fussabdruck wie Industriefleisch und gentechnisch verändertem Soja erleichtern. Diese Produkte, die oft über Tausende von Kilometern transportiert werden, stammen aus intensiven Landwirtschaftssystemen, die enorme Mengen an CO₂, Methan und Lachgas ausstossen. Sie basieren auf einem massiven Einsatz von Düngemitteln, Maschinen und Langstreckentransporten – ganz zu schweigen von der oben erwähnten Abholzungen der Regenwälder. Laut Alliance Sud4 wird allein der durch das MERCOSUR-Abkommen ermöglichte Agrarhandel zu einem Anstieg der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen um 15 % führen. Hauptursache dafür ist der zollfreie Import von Fleisch, Futtermitteln und anderen Produkten mit hoher Umweltbelastung. Diese Zahl berücksichtigt die zehn umweltschädlichsten Produkte, die von den EFTA-Ländern (einschliesslich der Schweiz) importiert werden – wie Rindfleisch, Soja, Mais oder Milchpulver – sowie die Käseexporte in den MERCOSUR.

Das Ergebnis: Die CO₂-Bilanz der Schweizer Verbraucher*innen verschlechtert sich, allerdings auf unsichtbare Weise, da diese Emissionen in die Erzeugerländer «ausgelagert» werden.

3. In der Schweiz verbotene Pestizide… aber auf unserem Teller

Viele landwirtschaftliche Produkte aus dem MERCOSUR werden mit hochgiftigen Pestiziden angebaut, deren Verwendung in der Schweiz und in der Europäischen Union verboten sind. Dazu gehören Paraquat, Atrazin und Neonicotinoide, die für ihre verheerenden Auswirkungen auf Bienen und und andere Bestäuber bekannt sind.

Laut Public Eye5 werden in Brasilien noch immer mehr als 300 bei uns verbotene Pflanzenschutzmittel eingesetzt, teilweise in grossen Mengen.

Das MERCOSUR-Abkommen sieht jedoch kein klares Einfuhrverbot für diese Produkte vor. Somit akzeptiert die Schweiz auf ihrem Boden – und in ihren Regalen – Lebensmittel, die nach Umweltstandards angebaut wurden, die sie für ihre eigenen Landwirt*innen als inakzeptabel erachtet. Das ist eine ökologische Doppelmoral.

4. Bergbau und die Energiewende: Zu welchem Preis?

Das MERCOSUR-Abkommen betrifft nicht nur Agrarprodukte: Es könnte auch die verstärkte Ausbeutung von Bodenschätzen, insbesondere von Lithium, fördern. Lithium ist ein Metall, das für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge und für Energiespeicher unerlässlich ist. Dieses Mineral, das im sogenannten „Lithiumdreieck“ (Chile, Argentinien, Bolivien) vorkommt, wird in trockenen Regionen abgebaut, wo die Umweltfolgen bereits alarmierend sind.

Die Lithiumgewinnung beruht häufig auf der Verdunstung von aus dem Grundwasser gepumpten Sole. Diese Methode ist extrem wasserintensiv: In der Atacama-Salzwüste (Chile) verbraucht sie bis zu 65 % der lokalen Wasserressourcen6. Intensives Abpumpen trocknet Salzseen aus, verursacht Bodensenkungen und stört das ökologische Gleichgewicht. In Argentinien beklagen indigene Gemeinschaften, wie die Atacama und die Kolla, das allmähliche Verschwinden ihrer Weideflächen, den Verlust des Zugangs zu Wasser und die Zerstörung ihrer traditionellen Lebensweise7. Die Entwicklung dieser Industrie in den Anden gefährdet unmittelbar die lokale Biodiversität und die Rechte der indigenen Bevölkerung.

Diese ökologische Ausbeutung wird oft mit der globalen Energiewende gerechtfertigt. Indem die Schweiz jedoch ihre klimaschädlichen Lasten nach Südamerika abwälzt, beteiligt sie sich an einer Form des grünen Kolonialismus, bei dem Ressourcen unter zerstörerischen Bedingungen und fernab der Augen der Verbraucher*innen abgebaut werden. Auch hier ebnet das MERCOSUR-Abkommen den Weg für eine Intensivierung des Bergbaus ohne verbindlichen Umweltrahmen.

Und was ist mit dem Umweltprotokoll in all dem? Eine Worthülse ohne Konsequenzen!

Befürworter*innen des Abkommens behaupten, ein Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung sei hinzugefügt worden. Doch in Wirklichkeit bleibt dieser Text unverbindlich: Es sind weder Sanktionen geplant noch ein automatischer Aussetzungsmechanismus im Falle eines Verstosses vorgesehen.

Brasilien hat beispielsweise unter Jair Bolsonaro 2022 den Umweltschutz drastisch reduziert und die Entwaldung im Amazonasgebiet sprunghaft ansteigen lassen (laut INPE8 um 22 % innerhalb eines Jahres). Dennoch wurde kein Handelsabkommen ausgesetzt. Die EU selbst fror die Ratifizierung ihres MERCOSUR-Abkommens ein … jedoch ohne konkrete Auswirkungen auf brasilianische Exporte. Das mit der Schweiz unterzeichnete Protokoll weist dieselben Schwächen auf: Es spricht von „Dialog“, doch ohne verbindliche Instrumente. Ein Versprechen ohne Garantien.

Nein zum Freihandelsabkommen mit dem MERCOSUR

Im Einklang mit ihrer Position zu Freihandelsabkommen lehnt La Vrille das Abkommen mit dem MERCOSUR aus Umweltgründen, wegen des drohenden Souveränitätsverlusts, der Auswirkungen auf die Landwirtschaft usw. entschieden ab. Abkommen zur Regelung des Handels zwischen Ländern sind unerlässlich. Diese Abkommen müssen jedoch neben nichttarifären Massnahmen zur Gewährleistung fairen Wettbewerbs auch tarifäre Massnahmen zur Sicherstellung gleichwertiger Produktionsbedingungen und -standards umfassen. Letztere sind von zentraler Bedeutung, da sie den Rahmen für den Schutz der Umwelt, die Erhaltung von Ressourcen, die Gesundheit und die Einhaltung sozialer Normen bilden.

Es ist wahrscheinlich, dass ein Referendum gegen das Abkommen mit dem MERCOSUR ergriffen wird.